Rund ein Drittel der über 70-Jährigen sucht wegen Unsicherheiten in ihrer Mobilität einen Arzt auf. Häufig berichten sie über Schwindel, Benommenheit und Angst vor Stürzen: Ein Drittel der zu Hause lebenden Älteren über 65 Jahre stürzen mindestens einmal im Jahr.
Schwindel macht Angst und unsicher
Schwindel ist ganz allgemein eine Unsicherheit im Raum. Er ist eine Hirnreaktion auf widersprüchliche Sinnesinformationen über den Gleichgewichtszustand. Daran beteiligt sind das Gleichgewichtsorgan (Vestibulum) im Innenohr, die Augen und die Tiefenwahrnehmung von Muskulatur und Gelenken. Dabei kann Schwindel im Stand, in Bewegung sowie in unterschiedlichen Formen auftreten:
- Drehschwindel
- Fall- oder Liftschwindel
- Schwanken, Taumeln
- Balancestörungen
- ungerichtete Benommenheit
Eine Orientierungsstörung löst Unsicherheit aus, das ist völlig normal. Dauern diese Symptome jedoch an oder kehren sie gehäuft wieder, verliert ein Betroffener das Vertrauen in seine Bewegungskontrolle. Die Angst vor Stürzen wächst und er passt sein Fortbewegungsmuster an.
Die in diesem Fall psychogene Gangunsicherheit als Resultat ist eine Gangstörung mit verringerter Gehgeschwindigkeit oder verändertem Gangbild wie
- Nachziehen,
- Schlurfen,
- Hinken oder
- engerer Schrittfolge.
Weitere verbreitete Auslöser für unsicheren Gang sind weiter unten aufgeführt.
Schwindel im Alter: typische Syndrome
Der sogenannte Altersschwindel lässt sich nicht auf bestimmte Auslöser zurückführen. Die charakteristische, allgemeine Benommenheit ist eher eine Folge nachlassender Körperfunktionen und Muskulatur, typischer Alterserkrankungen und nicht zuletzt einer Vielzahl von Arzneimittelwirkungen. Dieser Schwindel lässt sich kaum beheben, ganz im Gegensatz zu den folgenden Typen.
Eine beidseitige Störung des Gleichgewichtsorgans (bilaterale Vestibulopathie) zeigt sich beim Gehen als Schwankschwindel, welcher sich bei Dunkelheit, Unebenheiten oder beim Langsamgehen verstärkt. Manche Patienten klagen zudem über Sehstörungen. Spezielle Gleichgewichtstrainings verhelfen zu mehr Sicherheit.
Zentraler Schwindel ist ein meist andauernder, unklarer Schwankschwindel, begleitet von Blick-, Sprach-, Schluck- und Bewegungsstörungen. Er hat seinen Ursprung im Gehirn und kann durch Schlaganfall, Tumoren, Verletzungen, Infektionen, Medikamente oder neurodegenerative Erkrankungen ausgelöst werden. Diese Art Schwindel gehört umgehend in ärztliche Behandlung.
Gutartiger Lagerungsschwindel tritt unmittelbar nach Änderung der Kopflage auf, zum Beispiel beim stärkeren Kopfheben oder -senken. Der Verursacher ist ein verrutschendes Ohrsteinchen (Otokonien) im Bogengang, das den Gleichgewichtssinn irritiert. Mithilfe spezieller Befreiungsmanöver am Kopf kann der Arzt störende Steinchen entfernen.

Ursachen und Formen alterstypischer Gangstörungen
Ganz allgemein gehen ältere Personen langsamer und „bewusster“ als in jungen Jahren, in denen dies eher automatisiert abläuft. Zugleich nehmen aber Sinnesfunktionen, die Biomechanik von Muskulatur und Gelenken, die Muskelmasse sowie die Leistungsfähigkeit von Herz und Hirn ab. Ablenkungen lassen einen betagten Menschen daher auch viel eher stehenbleiben, stolpern oder gar stürzen. Hinzu kommen Einschränkungen durch Krankheiten, deren Behandlung durch Stand- und Gangtraining sinnvoll ergänzt werden sollten.
Wahrnehmungsmängel (sensorische Defizite) führen dazu, dass Bewegungen schlechter kontrollierbar werden, schlimmer noch bei schlechter Sicht und unebenem Boden. Verstärkt ist dies bei Patienten mit peripheren Nervenschäden (Polyneuropathien) wie durch Diabetes mellitus, bei bilateraler Vestibulopathie oder stark verschlechterter Sehfähigkeit zu beobachten.
Neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson, krankhafte Veränderungen im Kleinhirn (Kleinhirnschwund, Multiple Sklerose) oder zerstörende Demenzformen (Morbus Alzheimer) bringen zusätzliche Einschränkungen in der Bewegungsfähigkeit, Koordination und Kognition (Wahrnehmen und Denken) mit. Insgesamt werden die Bewegungsmuster langsam, eng und sehr reduziert.
Orthopädische Ursachen beschränken durch Schmerzen und mechanische Einbußen das Gehen. Typische Gründe dafür sind Arthrosen, Wirbelsäulenschäden, Knochen- und Gelenkkrankheiten.
Durchblutungsstörungen (koronare Herzkrankheit, Schaufensterkrankheit) und ihre Folgen (Herzinfarkt, Schlaganfall), unerwünschte Arznei- und Wechselwirkungen, Alkoholmissbrauch, all dies kann ebenfalls Gangunsicherheit bewirken oder verstärken.
Weder Schwindel noch unsicheres Gehen sind einfach hinzunehmende Alterserscheinungen. Denn wesentlich häufiger stehen behandelbare Störungen, Erkrankungen oder Arzneimittel-Nebenwirkungen im Vordergrund. Arzt und Patient können in vielen Fällen den selbstständigen Wirkungskreis ein gutes Stück zurückerobern. Die Folgen eines Sturzes sind ungleich höher – und schließlich können beide Symptome auch Anzeichen schwerwiegender Krankheiten sein, die unbedingt einer Behandlung bedürfen.