Dass Deutschland einem demografischen Wandel mit Abnahme der Geburtenrate und einer Alterung der Gesellschaft unterliegt, ist längst kein Geheimnis mehr. Steigende Lebenserwartungen bedingen eine Zunahme von Pflegebedürftigen ebenso. Doch was bedeutet das konkret für die Zukunft von Angehörigen, Pflegepersonal und Betreuungsbedürftigen?
Die moderne Gesellschaft verändert Lebensstrukturen
Zuerst gilt zu sagen, dass es nicht alleine der demografische Wandel ist, der zu einem Anstieg von Pflegebedürftigen, einer gleichzeitigen Erhöhung des Bedarfs an Pflegekräften und damit zu einer Verknappung des Pflegepersonals führt.
Es sind vor allem auch veränderte Lebensmodelle und Haushaltsstrukturen, die für ein Mehr an Bedürftigkeit im Pflegebereich sorgen: Früher waren Mehrgenerationenhäuser weit verbreitet, heute gibt es vermehrt Einzelhaushalte. Es ist nicht mehr üblich, dass die Kinder mit ihren Eltern und gegebenenfalls sogar Großeltern unter einem Dach wohnen – Selbstbestimmtheit in der Lebensführung ist für viele junge Menschen wichtiger geworden. Wenn früher also die Kinder oft die Pflege Ihrer Angehörigen übernommen haben – das nennt man auch „informelle“ Pflege – ist dieses Modell heute selten geworden.
Obwohl immer noch zwei Drittel aller Pflegebedürftigen von Ihren Angehörigen versorgt werden, so ist die Tendenz eher rückläufig: Nicht nur höhere Frauenerwerbsquoten sorgen dafür, dass viele Frauen, deren Aufgabe sonst dem Haushalt oder eben der Pflege der Eltern zugeschrieben war, heute berufstätig sind und dafür keine Zeit mehr haben – auch die Anforderungen im Job und die Notwendigkeit der dauerhaften Erreichbarkeit nehmen zu, sodass die Mehrbelastung von vielen Angehörigen nicht mehr getragen werden kann.
Knappheit an Pflegepersonal verschärft den gesellschaftlichen Wandel
Auch die Zahl der in der Pflege professionell arbeitenden Personen nimmt durch den demografischen Wandel ab. Bereits heute steigt der Anteil der über 50-Jährigen in der Altenpflege an. Doch gerade im stationären Bereich ist der Bedarf an geschultem Personal schon jetzt um das Vierfache höher als im ambulanten Pflegesektor. Der Fachkräftemangel bedeutet natürlich auch, dass eine Pflegekraft weniger Patienten verpflegen kann, da eine „Rundum-Betreuung” zeitintensiver ist als ein täglicher Besuch bei ambulanten Patienten.
Nun fragt man sich, ob man der Abwärtsspirale aus schrumpfendem Pflegepersonal mit einer gleichzeitig älter werdenden Bevölkerung noch entrinnen kann: Und ja, man kann mit verschiedenen Lösungsansätzen versuchen, das Angebot-Nachfrage-Ungleichgewicht auszugleichen.
Lösungsansätze auf verschiedenen Ebenen
So viel sei vorwegzunehmen: Den demografischen Wandel kann man vorerst nicht aufhalten. Ein plötzlicher Baby-Boom scheint unwahrscheinlich und die rückgängigen Geburtenraten der letzten Jahre kann man nicht so schnell aufholen. Jedoch gibt es andere Maßnahmen, die den Mangel an Pflegepersonal ausgleichen können.
Eine Möglichkeit bestünde in der Anpassung des Pflegearrangements. Das heißt, dass Pflegeberufe nicht mehr traditionell entweder auf vollstationär, professionell ambulant oder rein informell beschränkt werden, sondern Mischformen denkbar sind, bei denen eine Pflegekraft zwischen den Bereichen wechseln kann.
Trotzdem wird allein dadurch, der Bedarf nicht gedeckt werden können. Was es braucht, ist eine Bildungsoffensive, die ganz klar die Bedeutung des Pflegeberufes hervorhebt und auch dessen Attraktivität betont. Der Pflegesektor wird immer eine Berufsbranche sein, die Arbeitsplatzsicherheit durch einen hohen Bedarf an Fachkräften garantiert. Hierfür ist auch wichtig, die Arbeit der Pflegekräfte höher zu honorieren – leider schrecken doch vor allem niedrige Gehälter viele Interessierte ab, den Pflegeberuf zu ergreifen.
Großes Potenzial für Verbesserungen im Pflegesektor
Auch wenn man den sozialen und demografischen Wandel nicht aufhalten kann, so können Betriebe, Beschäftigte, aber vor allem auch die Politik in Zukunft Strukturen schaffen, die es unter den veränderten Bedingungen möglich machen, Pflegebedürftige qualitativ hochwertig und menschenwürdig zu versorgen. Dann bräuchte man sich auch nicht mehr so viel Sorgen, um das Altern zu machen, sondern könnte den letzten, ruhigen Jahren entspannt entgegenblicken.