Etwa 2,5 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig und müssen jeden Tag erleben, dass Gebrechlichkeit mutlos machen kann. Jede Tätigkeit wird zu einem Kraftakt, für viele Handgriffe ist Hilfe notwendig. In diesem Zusammenhang ist es äußerst wichtig, die betroffenen Menschen anzuspornen und ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten zu fördern bzw. zu erhalten.
Selbstvertrauen steigern
Unter Fachleuten wird dieses spezielle Konzept als „aktivierende Pflege“ bezeichnet. Das kann bedeuten, dass die pflegebedürftigen Menschen bei der Körperpflege beispielsweise an der Hand geführt werden, sie sich aber dann selbst das Gesicht waschen können, wodurch die Geschicklichkeit gefördert wird. Oder es werden Möbel in der Wohnung so platziert, dass sich der Patient unterwegs ausruhen kann. Bei Demenzkranken sollte allerdings nicht allzu viel verändert werden, da sie sich an frühere Abläufe besser erinnern.
Manchmal ist es für das Pflegepersonal also besser nur danebenzustehen, als den pflegebedürftigen Menschen alles abzunehmen. Werden alle Tätigkeiten von den Pflegenden übernommen, so verlernen ältere Menschen vieles relativ schnell; sie fühlen sich hilflos und die Pflege nimmt immer mehr Zeit in Anspruch. Bei der aktivierenden Pflege wird das Tempo vom Patienten vorgegeben. Dadurch wird er nicht überfordert und entscheidet selbst, ob gewisse Tätigkeiten möglich sind oder nicht. Wenn das Pflegpersonal an seine Grenzen stößt, sollten Angehörige in die Pflege miteinbezogen werden.
Das Bobath-Konzept
Eine wesentliche Grundlage für die aktivierende Pflege in der Praxis ist das sogenannte Bobath-Konzept, in dessen Zentrum ein Beziehungsprozess steht. An diesem Prozess sind die Angehörigen, das Pflegeteam sowie der pflegebedürftige Mensch beteiligt. Gemeinsam arbeitet man an einem Pflegekonzept, das speziell auf den Patienten zugeschnitten ist. Darüber hinaus werden ein pflegerischer Maßnahmenkatalog sowie realistische Ziele festgelegt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Förderung der Alltagskompetenz bzw. der Herstellung der Selbstständigkeit. Dadurch ist es möglich, vormals beherrschte Bewegungsabläufe wieder zu erlernen bzw. eine dauerhafte Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Die Betroffenen werden in alltägliche Tätigkeiten miteinbezogen, wodurch Lernprozesse intensiviert werden. Auf diese Weise können vertraute Handlungen wie beispielsweise die Körperpflege oder das Essen und Trinken wieder „erinnert“ werden.
Mehr Lebensqualität
Ein aktivierendes Pflegekonzept kann vor allem in der Altenpflege zu einer deutlichen Erhöhung der Lebensqualität beitragen. Das trifft sowohl für die Pflege in einem Seniorenheim als auch für die Pflege zu Hause zu. Vor allem in Pflegeeinrichtungen fehlt den Senioren eine gewisse Alltagsgestaltung und sie fühlen sich oftmals nutzlos. Wenn sie jedoch die Möglichkeit haben, bestimmte Tätigkeiten selber zu verrichten, so stabilisieren sich die Gesundheit und die Lebensqualität. Aktivierende Pflege ist zwar mit viel Geduld verbunden, fördert aber auch den gegenseitigen Respekt und das Selbstwertgefühl und kann den Pflegenden in weiterer Folge auch entlasten.
Tipps für den Alltag
Ein aktivierender Pflegeplan kann in viele Bereiche des Lebens eingebaut werden. So können pflegebedürftige Menschen durch ihre Betreuungskräfte beispielsweise zum selbstständigen Waschen motiviert werden, indem die nötigen Hilfsmittel bereitgestellt werden und erklärt wird, wie diese zu benutzen sind. Wenn sich der Betroffene nicht mehr selbst waschen kann, so besteht die Möglichkeit, ihn zu unterstützen, indem der Pflegende beispielsweise seine Hand führt. Beim An- und Ausziehen wird die Auswahl der Kleidung vom Pflegenden respektiert und das Ankleiden und Ausziehen wird nur, wenn es unbedingt notwendig ist, unterstützt. Beim Essen und Trinken wird dem Pflegebedürftigen genügend Zeit gelassen, wobei die Eigenständigkeit auch hier im Vordergrund steht. Wenn notwendig, können geeignete Hilfsmittel wie gewinkeltes Besteck oder Teller mit höherem Rand verwendet werden. Ausreichende Bewegung sollte ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden. Hier kann der Pflegende den Patienten beispielsweise dazu motivieren, an Gruppenaktivitäten wie Seniorengymnastik teilzunehmen.